
Kurzgeschichte: Sunshine
Angenehme Wärme kitzelt mich am Kinn. Ich strecke meinen Kopf weiter nach oben. Meine Wangen, meine Nase und schließlich auch meine Stirn werden von dem angenehmen Kribbeln angesteckt. Die Sonnenstrahlen streichen über mein Gesicht und lassen es auf eine sanfte Art glühen. Unglaublich, dass eigentlich noch eine Fensterscheibe zwischen uns steht.
Die Augen habe ich geschlossen, doch ich spüre jeden Punkt auf meinem Gesicht. In ein paar Wochen werden meine Wangen wieder von Sommersprossen verziert sein. Ich kann sie jetzt schon spüren.
Meine Nase krümmt sich und versucht den Duft aufzunehmen, der durch den schmalen Fensterspalt nach innen strömt. Die Luft verändert sich, wenn es wärmer wird. Sie wird trockener und auf eine bestimmte Weise intensiver. Der Asphalt heizt sie auf und lässt sie am Boden gedrückt, während sie dort verschiedene Düfte durcheinander wirbelt. Jetzt rieche ich vor allem Gras. Abgemähtes Gras, das zum Trocknen auf den Wiesen liegt und schneller als in den letzten Jahren an Feuchtigkeit verloren hat.
Ich spitze die Ohren, als aufgeregte Rufe zu mir hoch dringen. Sie überlappen sich und lassen keine Stille dazwischen. Neugierig schielen meine Augen aus dem Fenster und wollen wissen, was unten vorgeht.
Kinder, es sind fünf, alle einen großen Rucksack tragend, laufen nebeneinander und hintereinander die Straße entlang. Einer hält eine Schwimmnudel unter dem Arm, der andere eine Luftmatratze in der Form eines großen Pizzastücks. Die Kinder lachen voller Vorfreude und ich hätte gerne mit ihnen gelacht. Ihr lustiger Anblick weckt aber nur die traurige Sehnsucht in meinem Inneren.
Ich beobachte weiter die anderen Leute auf der Straße. Eine Dame führt ihren Hund Gassi, ein Mann ist mit nacktem Oberkörper joggen und ein Pärchen sitzt Händchenhaltend und Eisessend auf einer Parkbank. Keine gute Idee, diese beiden Dinge so zu kombinieren.
Mein Gesicht glüht von der Wärme der Sonne. Der ganze Raum scheint in der Hitze zu stehen. Vor meinen Augen beginnt die Luft zu flimmern. Ich sehe zu dem tropfenden Tüteneis des jungen Paares. Die Hitze steigt in meinen Kopf und ich scheine ebenfalls zu schmelzen. Automatisch wandert meine nasse Hand zum Fenstergriff. Ich stoße das Fenster zu, drehe den Griff herum und will es ganz aufreißen, als sich eine Hand über meine legt.
„Du darfst das nicht, das weißt du doch.“ Seine Stimme lässt mich zusammensacken. Nicht nur mein Kopf, sondern auch meine Leichtigkeit und das Glücksgefühl senken sich. Ich drücke das Fenster wieder zu und drehe den Griff nach unten. Keine aufgeregten Kinderstimmen dringen nun zu mir hoch. Betreten blicke ich zu Boden, meine Schultern fühlen sich schwer an. Er wartet auf eine Entschuldigung von mir, das weiß ich, aber ich kann nicht jede intuitiv gesteuerte Tat bereuen.
„Beim nächsten Mal zieht es Konsequenzen.“ Sein dumpfer Atem schlägt mir ins Gesicht und die Frische, die mich zuvor erfüllt hat, verlässt mich umgehend. Ohne nachsehen zu müssen weiß ich, dass er nach seiner Gürtelschnalle greift und die Drohung bildlich unterstützen will. Mein Kopf formt ein Nicken und meine Gedanken nach Freiheit verschwinden mit ihm aus dem Raum. Ein kurzen Moment lasse ich meinen Blick noch nach draußen in die warme Welt schweifen, ehe ich mich in meine dunkle Ecke zurückziehe.
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